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Der gestohlene Schmerz

Mathilde konnte schon seit mehreren Monaten nicht mehr gut schlafen. Nachts wurde sie von Ängsten wach, die sie kaum erklären konnte. Sie waren einfach da, scheinbar grundlos, Mathilde konnte für diese nächtlichen Panikanfälle keine Ursache ausfindig machen.

Mathilde war eine Dame im besten Alter, die ein sehr gesundes und bedachtes Leben führte. Sie erlebte eine schöne Kindheit und ihr ganzes Leben lang hatte sie fleißig als Lehrerin gearbeitet. Sie war verheiratet, wusste das Leben mit ihrer Familie zu genießen und lebte bescheiden in einem kleinen Häuschen am Rande einer Kleinstadt. Sie hatte jeden Grund mit dem Leben zufrieden zu sein.

Mathilde war eine ehrwürdige Frau, stets bemüht in ihrer Familie und ihrem Freundeskreis zu helfen, wo sie nur konnte. Sie unterstützte die ältere Nachbarin im Garten und pflegte ihre Schwiegermutter zu Hause. Kurzum, sie half dort, wo sie gebraucht wurde und manchmal auch, wenn sie nicht gebraucht wurde.

Ihre Hilfsbereitschaft ging sogar soweit, dass Sie mehrmals wöchentlich über Stunden mit ihrer entfernt lebenden Schwester telefonierte, die schon seit einigen Jahren an heftigsten Ängsten.

Ängste schienen ja so ein bisschen in der Familie zu liegen. Mathilde konnte ihre eigenen Ängste nicht erklären, erkannte allerdings die Ursache der Ängste ihrer Schwester als Nachwirkungen jenes Martyriums, das sie bei der Trennung von ihrem gewalttätigen Ehemann vor drei Jahren durchmachte.

Mathilde versuchte sie davon zu überzeugen, sich Hilfe zu holen, eine Therapie zu machen und die Ängste zu bearbeiten, doch ihre Schwester hielt das nicht für notwendig. Seit einigen Monaten wären diese ohnehin schon besser geworden.

Eines Nachts hatte Mathilde einen Traum. Sie erschrak, als sie sich in einer Gerichtsverhandlung wiederfand. Der Richter saß in seiner offiziellen Richterrobe erhöht hinter einem Pult und ließ sich einen Akt reichen. Mit den Worten: „Sie sind also der Dieb!“ wandte er sich vorwurfsvoll in forschem Ton an die Anklagebank wo Mathilde Platz genommen hatte. Mathilde rechtfertigte sich und versicherte, dass Sie niemals Geld oder sonstige Güter auch nur von irgendjemandem gestohlen hätte. So etwas würde sie nie tun. Der Richter richtete seinen Blick erneut auf Mathilde und meinte mit einem Schmunzeln auf den Lippen: „Sie haben etwas viel Wesentlicheres gestohlen, als materielle Güter.“

Mathilde hatte Angst vor diesem mächtigen Richter und vor seiner Urteilsmacht und gleichzeitig konnte sie sich nicht vorstellen, jemals überhaupt irgendetwas gestohlen zu haben.

Der Richter fuhr fort: „Sie haben das Wichtigste gestohlen, das man überhaupt nehmen kann. Sie haben die Lebenslektion Ihrer Schwester gestohlen.“ Der Richter wandte seinen Blick zum Gerichtsschreiber und diktierte: „Im Namen des Geistigen ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagten wird mangels Schuldbewusstsein eine Frist von 3 Tagen gesetzt, um die Lebenslektionen vollständig zurückzugeben. Gegen dieses Urteil kann kein Einspruch erhoben werden.“

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